Hegelgespräche

Exkursionen ins Hegelsche Denken

ab September 2022
STIFTUNG GEISSSTRASSE 7, STIFTUNGSSAAL, 1. STOCK

„Der Mensch wird nicht Meister über die Natur, bis er es über sich selbst geworden ist“

2021 Herbst Hegel-Gespräche Huett

Eine Veranstaltungsreihe mit Theodor Huett.

Diese Randbemerkung, die sich am Ende von Hegels Vorlesungsmanuskript zur Realphilosophie von 1805/1806 findet, eine Zeit in der Hegel schon wesentlich mit der Abfassung der Phänomenologie beschäftigt war, hat durchaus programmatischen Charakter. Es ist ein Satz der unmittelbar die Aktualität der Hegelschen Philosophie offenbart. Er verweist uns auf den Zusammenhang zwischen dem Selbstbild des Menschen und seinem Umgang mit der Natur. Im Zeitalter einer fortschreitenden und aller Wahrscheinlichkeit nach irreduziblen Naturzerstörung liegt die Brisanz des Themas auf der Hand.
Zugleich rückt Hegel mit dieser Bemerkung die Frage nach unserem Weltverhältnis, nach unserem Menschenbild ins Zentrum der Betrachtung. Diese Frage nach dem Menschen ist für Hegel mit der Aufklärung durchaus nicht erledigt. Genau genommen ist es eben diese Frage, die die Philosophie zu beantworten hat und deren Antwort nach Hegel noch aussteht.
Die Schwierigkeit der Beantwortung dieser Frage liegt darin, daß der Fragende und derjenige, der die Antwort geben muss, identisch sind. Nach Hegels Auskunft ist es der Geist der Zeit selbst, der die Frage stellt und der sie beantwortet.
Die Beantwortung dieser Frage ist für Hegel das Thema, das ausschließliche Thema der Philosophie. Ein Teil dieser Antwort ist die Naturphilosophie.
Seine Vorlesung über die Philosophie der Natur beendete Hegel mit dem Hinweis, dass es Zweck dieser Vorlesung sei „ein Bild der Natur zu geben, um diesen Proteus zu bezwingen, in dieser Äußerlichkeit nur den Spiegel unserer selbst zu finden“. Dies bedeutet, daß der Umgang mit der Natur auch als Indikator zu fassen ist im Hinblick auf den Umgang des Menschen mit dem Menschen.
Die Natur als Objekt der Ausbeutung und der Mensch der als Produktionsfaktor Arbeit oder als Ware Arbeitskraft nicht weniger zum Objekt degradiert wird, haben die gleiche Wurzel: das S-O-Paradigma, das mit der Aufklärung seinen Siegeszug antritt und „in der Nützlichkeit seinen Begriff gefunden hat“
Diesem Geist der Zeit und seinem Werk, der Naturzerstörung sowie der Entfremdung des Menschen, können wir nicht mit moralischen Appellen Herr werden, oder mit der verbalen Bekundung, dass die Würde des Menschen unantastbar sei, sondern nur durch eine Rekonstruktion der „in ihre Extreme verlorenen Sittlichkeit“, durch die nach Hegel die bürgerliche Gesellschaft gekennzeichnet ist, einer Rekonstruktion der menschlichen Identität, die auch die Identität von Mensch und Natur einschließt. Wie eine solche Identität zu denken wäre, ist die Frage der Zeit und das Thema dieser Reihe.

Termine

  • 8. September 2022, 19:00 Uhr
  • 6. Oktober 2022, 19:00 Uhr
  • 3. November 2022, 19:00 Uhr

Die Veranstaltung findet im STIFTUNGSSAAL, 1. STOCK DER STIFTUNG GEISSSTRASSE 7 statt.

3. Novemver 2022: Von der Notwendigkeit Gott zu erkennen

In der gegensatzlosen Nacht der Unmittelbarkeit erlebt der Mensch diese seine selbst gestaltete Wirklichkeit als unergründliches Schicksal, seine Freiheit scheint auf, als die offene Frage nach sich selbst. Es ist so die ursprüngliche Natur des Menschen, sich in die Entzweiung zu werfen, seine Hand nach den Früchten der Erkenntnis auszustrecken um zum Wissen seiner selbst zu kommen. Die Mythologien und Religionen sind die selbst noch im Raum der Entzweiung angesiedelten Antworten, die dem Menschen aus seiner Wirklichkeit erwachsen. Was eindeutig bestimmt ist, ohne die Möglichkeit des Andersseins, existiert fraglos. Das Tier hat keine Religion. Dem Menschen aber, weil er frei ist, ist die Religion unabdingbar; der Ursprung Gottes liegt, wenn wir der Argumentation Hegels folgen, in der Freiheit des Menschen. Religion, das Wissen von Gott, ist so gleichermaßen Signum seiner Freiheit, als auch Signum unbewältigter Entfremdung. In der Gestalt des vorgestellten Gottes, tritt dem Menschen sein eigenes Wesen als eine außer ihm seiende selbständige Subjektivität gegenüber. Dass Gott außer uns eine Wirklichkeit habe, ist eine Vorstellung des in der Entzweiung befangenen, des entfremdeten Bewusstseins. Indem der Mensch von Gott weiß, weiß er in der Tat von sich selbst. „… das Wissen des Menschen von Gott“ ist, so Hegel, in seinem Fortgang wesentlich das “ Sichwissen des Menschen in Gott“. Hegels Religionsphilosophie rekonstruiert Religion, das bestimmte Wissen von Gott, als Prozess der Bewusstwerdung, an dessen Ende sich das Wissen von Gott als Wissen vom Menschen zu erkennen gibt. „Der Religion entflieht der Himmel im wirklichen Bewußtsein — der Mensch fällt auf die Erde herab.“

„Die Zuversicht des Menschen zu den Göttern ist die Zuversicht zu sich selbst“
G.W-F. Hegel

Anmeldung
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