Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen

Die Brandkatastrophe in der Geißstraße lehrt auch, dass man Flüchtlinge sicher unterbringen muss.

von Maira Schmidt, 17.03.2014 – Stuttgarter Zeitung

Stuttgart Auch wenn der Brand mittlerweile 20 Jahre zurückliegt, bleibt die Problematik, die damals zu dem Tod von sieben Menschen geführt hat, aktuell. Das machte der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn am Sonntagabend in seiner Rede vor dem Haus an der Geißstraße 7 deutlich. Bei einem Feuer waren in dem Gebäude am 16. März 1994 sieben Menschen ums Leben gekommen und 16 verletzt worden. Es war die schwerste Brandkatastrophe in Stuttgart nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein 26 Jahre alter Mann aus Esslingen hatte das Feuer im Treppenhaus gelegt.

Doch das war nicht die einzige Ursache der Tragödie. Offiziell waren in der Geißstraße 7 gerade mal 27 Personen gemeldet. In Wirklichkeit lebten in dem Haus rund 50 Menschen, vor allem Ausländer in ärmlichen Verhältnissen. Oberbürgermeister Kuhn betonte, dass die Stadt Stuttgart auch im Jahr 2014 sehr viele neue Flüchtlinge aufnehmen müsse und es sei wichtig, die ‘Menschen gut und sicher unterzubringen.’ Umso entsetzter sei er darüber, dass er stoßweise Briefe von Bürgern erhalte, die sich darüber beklagen, dass die Flüchtlinge in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft untergebracht werden sollen. Es gehe nicht nur darum, Unterkünfte für diese Menschen zu finden, sondern die Flüchtlinge müssten von der Stadtgesellschaft aufgenommen werden, sagte der OB, der deshalb die Arbeit der Stiftung Geißstraße lobte.

Die Stiftung, die sich zwei Jahre nach der Brandkatastrophe gegründet hat und den interkulturellen Dialog in der Landeshauptstadt fördern will, hatte zu einer Gedenkveranstaltung auf den Platz am Hans-im-Glück-Brunnen eingeladen. Unter den Teilnehmern war nicht nur der Stuttgarter Branddirektor Frank Knödler, der den Feuerwehreinsatz damals geleitet hat, sondern auch Harun Say. Der 49-Jährige, der heute in Zuffenhausen lebt, hat bei dem Brand seine im neunten Monat schwangere Frau und seine fünfjährige Tochter verloren. Ihm war sichtlich anzumerken, wie schwer ihm der Weg zur Unglücksstelle gefallen war und wie sehr ihn der Verlust noch heute schmerzt.

Harun Say war das einzige Brandopfer, das Klaus-Peter Murawski, der Vorsitzende des Stiftungsrates und Staatssekretär der Landesregierung, in seiner Rede namentlich ansprechen konnte. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes seien der Stiftung die Namen der Überlebenden nicht bekannt. Selbiges gelte auch für den Täter. Die Stiftung wisse nur, dass er inzwischen aus der Haft entlassen wurde. Der Versuch Kontakt zu ihm aufzunehmen, sei aber gescheitert. Die Tat bleibe deshalb bis heute ‘merkwürdig abstrakt’, so Murawski. Auch der Vorsitzende des Stiftungsrates mahnte an, dass es wichtig sei, Lehren aus der Katastrophe zu ziehen.

Doch während es beim Umgang mit ausländischen Mitbürgern noch viel Verbesserungsbedarf gibt, scheint es zumindest beim Brandschutz voranzugehen. Laut Branddirektor Knödler könnte sich eine Katastrophe wie die damalige vermutlich heute nicht wiederholen. ‘Hätten wir damals Rauchmelder gehabt, wäre dieses Unglück nicht passiert’, sagte der Branddirektor. Die Opfer hatten in ihren Betten geschlafen als der Täter das Feuer im Treppenhaus legte. Mit Hilfe von Rauchmeldern wären die Hausbewohner deutlich früher geweckt worden und hätten die Feuerwehr, die damals nur vier Minuten nach dem Notruf am Einsatzort war, schneller alarmieren können. Oberbürgermeister Kuhn betonte: ‘Brandschutz ist keine Luxusdebatte.’

// Weitere Informationen und Bilder unter www. stzlinx.de/geissstrasse